Michael Donth MdB

Zu Unrecht verurteilter Reutlinger nach acht Jahren wieder zurück aus Russland

Michael Donth im Gespräch mit Dr. Oleg Leis

Die Stimmung beim Gespräch zwischen Dr. Oleg Leis und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Donth im Wahlkreisbüro in Reutlingen ist eine Besondere. Ergriffen, berührt und fassungslos folgt der Abgeordnete den sachlichen Erzählungen des Reutlingers, der einst erfolgreich sein Unternehmen als Bauträger geleitet hatte. Im Jahr 2014 war er geschäftlich in der Ukraine tätig, als Russland diese besetzt hat. Dort wurde er unter bewiesenermaßen falschen Anschuldigungen vom russischen Unrechtsstaat verhaftet und des Mordes beschuldigt. Es folgte eine willkürliche Verurteilung zu acht Jahren Haft. Er wurde zu Unrecht seiner Freiheit beraubt, im russischen Gefängnis misshandelt und alles zerstört, was er sich in seinem Leben in Reutlingen aufgebaut hatte. Seit einem Jahr ist der Reutlinger aus Russland zurück. Seine Firma gibt es nicht mehr.

Dieser unfassbaren Geschichte möchte Michael Donth nachgehen. Deshalb hatte er Dr. Oleg Leis zum Austausch eingeladen. „Ich habe eigentlich einen verbitterten und geknickten Mann erwartet. Dr. Oleg Leis hätte jeden Grund dazu. Es ist bewundernswert, wie gefasst er mit seinem harten Schicksal umgeht“, so Michael Donth. Stattdessen berichtet der freundliche und herzliche Mann sachlich und ruhig von seinen schrecklichen Erlebnissen im russischen Gefängnis der letzten Jahre. Immer wieder betont er, wie dankbar er sei, wieder hier in seiner alten Heimat zu sein.

Aber der Reihe nach: Oleg Leis ist 1963 in der Ukraine, damals Sowjetunion, geboren. Seine Mutter ist Schlesierin und deutsche Staatsbürgerin. Im Jahr 1993 kam Oleg Leis nach Reutlingen und studierte in Stuttgart, wo er seinen Abschluss als Bauingenieur machte. 1999 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft und gründete eine Bauträger-Firma. Mit dieser bekam er 2013 einen Auftrag von der ukrainischen Regierung in Kiew. So kam er auch zu einem weiteren Auftrag auf der Halbinsel Krim, der letztlich zu seinem Verhängnis wurde. Durch die Besetzung der russischen Soldaten 2014 wurde der Flughafen geschlossen. Der Rückweg auf das ukrainische Festland war für Dr. Oleg Leis nicht möglich. „Mir hat man dann unterstellt, dass ich illegal, also ohne Visum in Russland bin, ohne dass ich jemals die russische Grenze überquert habe“.

Grund für seine Verhaftung war aber, dass die russische Justiz ihm die Beteiligung an einem Mord vorgeworfen hat, der vor 18 Jahren begangen wurde. „Als ich eines Tages mit dem öffentlichen Bus unterwegs war, wurde dieser angehalten und man hat mich nach meinem Namen gefragt. Ich musste mitkommen. Natürlich dachte ich, dass es sich um ein Missverständnis bzw. um eine Verwechslung handelt, da ich beweisen konnte, dass ich zu dieser Zeit in Stuttgart studiert habe“, so Oleg Leis.

Es kam aber alles anders. Gekaufte Zeugen hatten ihn belastet und des Mordes beschuldigt. Dr. Leis wurde von korrupten Richtern zu 12 Jahren Haft verurteilt. Dort wurde er regelmäßig schwer misshandelt, seine Kniescheiben zertrümmert. Die Nächte musste der Gefangene mit 120 Häftlingen auf kleinstem Raum verbringen. Es herrschten menschenunwürdige Zustände im Straflager in Volgograd.

Der Gefangene hatte über all die Jahre immer wieder Kontakt zur deutschen Botschaft. Auch sein Rechtsanwalt in Pfullingen kämpfte unerbittlich für die Freiheit seines unschuldigen Mandanten. „Deutsche Diplomaten besuchten mich schon regelmäßig und stellten mir immer die gleichen Fragen. Etwa ob ich gut behandelt werde oder wie das Verhältnis zu Mithäftlingen ist. Ich durfte aber nur in russischer Sprache antworten, damit die Wächter verstehen, was ich sage. Natürlich wurde mir vorher von diesen nahegelegt, was ich antworten soll“, so Oleg Leis.

Zahlreiche weitere Schreiben an das Auswärtige Amt, den Bundestag, den Bundespräsidenten, an die Menschenrechtsbeauftragte der Europäischen Union und der Bundesregierung folgten über die Jahre. Oleg Leis beschreibt unvorstellbare Mittel, mit denen er während der Haft Kontakt mit der Außenwelt hergestellt hatte. So tippte er nachts Briefe auf ein Handy, die er auf einer Mini-SD-Karte speicherte, die ein korrupter Wächter gegen etwas Geld in einer Zahnlücke aus dem Gefängnis schmuggelte.

Aber alle Bemühungen waren vergeblich. Keine deutsche staatliche Stelle fühlte sich verantwortlich oder in der Lage, etwas zu unternehmen, was Dr. Leis geholfen hätte. Sein Rechtsanwalt konnte nach langem Ringen mit dem russischen Staat erreichen, dass über eine Übernahme der weiteren Strafvollstreckung in Deutschland verhandelt wird. Dies wurde aber von der Bunderepublik Deutschland abgelehnt, da das Urteil den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde, so ein Schreiben des Bundesamtes der Justiz, das Dr. Leis Michael Donth vorzeigte. Sogar der Leiter des Straflagers in Volgograd gab einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft den Hinweis: “Ich habe das Urteil gelesen. Leis ist unschuldig. Kämpfen Sie um diesen Mann!“

In den letzten Jahren seiner Haft spricht er von besseren Bedingungen. Er durfte tagsüber in einem Unternehmen mitarbeiten. „Die Russen wussten, dass ich gut planen und konstruieren kann, weshalb ich zahlreiche Projekte während der Haft planen musste.“ Darunter sei kurz vor seiner Haftentlassung noch eine private Sauna für seinen Gefängniswächter gewesen. Dr. Oleg Leis kam schließlich nach 8 Jahren aufgrund guter Führung aus der Haft frei. Dies war letztendlich nur möglich, weil er umgerechnet knapp

10 000 Euro Bestechungsgeld für seine Freiheit bezahlt hatte, geliehen von Bekannten und Freunden. 

Nach seiner Haftentlassung kontaktierte er sofort die deutsche Botschaft in Moskau und bat um einen gültigen Reisepass, da seiner abgelaufen war. Oleg Leis wollte schnellstmöglich in die Heimat zurück. Dort bekam er erneut einen Schlag ins Gesicht. Er müsse fünf bis sechs Monate mit Bearbeitungsdauer rechnen, so die Diplomaten in Moskau. „Für mich ist erneut eine Welt zusammengebrochen, ich hatte weder Geld, noch eine Anlaufstelle und wollte nur raus aus Russland“, so Oleg Leis.

Er entschließt sich mit einem Kleinbus über Georgien nach Armenien zu reisen. Von dort fliegt er nach Warschau und kann mit dem Flixbus über Dresden nach Reutlingen. Tag der Rückkehr ist der 23. Februar 2022. Einen Tag später fällt Putin nach Kiew ein und Oleg Leis wäre nicht mehr aus Russland herausgekommen.

„Ich bin erschüttert, fassungslos und traurig, wie hier mit einem deutschen unschuldigen Staatsbürger umgegangen wurde“, so Michael Donth wütend. Offensichtlich sei  der deutsche Staat, die deutsche Bürokratie nicht in der Lage gewesen, für seinen Bürger einzutreten. „Das will ich so nicht hinnehmen. Dr. Leis wurde zu Unrecht verurteilt, die Richter, die das Urteil damals in Russland gefällt hatten, werden zwischenzeitlich von Interpol gesucht. Die russische Justiz, das ganze System ist korrupt“, so der Bundestagsabgeordnete. Michael Donth will der Sache nachgehen und bei den entsprechenden Stellen nachhaken. Ein ganzer Ordner mit Schriftstücken stellt Dr. Leis dem Abgeordneten zur Verfügung. „Ich wünsche mir, dass Dr. Leis die Gerechtigkeit wiederfährt, die er verdient hat. Dafür will ich mich einsetzen. Ihm wurde sein Leben zerstört und seine Existenz genommen. Er hat eine Opferentschädigung verdient. Die Narben, die bei Dr. Leis zurückbleiben, werden wohl kein Geld der Welt ausgleichen können“, so Michael Donth.

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