Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Woche prägt das Thema der Lieferung sog. schwerer Waffen an die Ukraine die politische Debatte.
Ich würde mir auch wünschen, dass der völkerrechtswidrige und brutale Krieg in der Ukraine diplomatisch und durch politischen Druck beendet werden würde. Das ist aber, ich muss das so deutlich sagen, eine blauäugige Wunschvorstellung, wenn man die Taten des Aggressors Putin sieht. Er hat sich doch in der Vergangenheit schon an keinerlei Absprachen oder Verträge gehalten. Wer und wie soll man ihn jetzt zum Rückzug bewegen??
Und gerade die schrecklichen Bilder aus der Ukraine machen klar, dass eine schnelle Hilfe nötig ist. Und die Menschen, die ihre Heimat gegen den Feind verteidigen, brauchen eben dazu geeignete Waffen. Und ja, auch durch die Lieferung von schweren Waffen. Belgien, die Niederlande oder auch Kanada tun das schon längst. Da hilft kein Verharren und Zaudern, wie es Kanzler Scholz bislang an den Tag legt und zwar in sämtlichen Bereichen. Das ist eines Kanzlers nicht würdig - er muss das Land und seine Regierung führen.
Ich bin überzeugt, dass wir ein großes Interesse daran haben müssen, dass Putin nicht gegen die Ukraine gewinnt. Und was heißt das denn? Das heißt ja nicht, dass die Ukraine ihre Grenzen Richtung Russland verschiebt. Die Ukrainer wollen - wie wir - in ihrem Land in Frieden und in Freiheit leben. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Und dazu braucht die Ukraine in der jetzigen Phase des Krieges schwere Waffen von uns und von anderen Ländern. Denn wenn Putin sich die Ukraine ganz oder auch in Teilen einverleibt, wird er weitermachen. Moldawien hat er in den letzten Tagen bereits ins Gespräch gebracht, damit er einen Landkorridor zu Transnistrien bekommt. Und auch Kaliningrad/früher Königsberg im Baltikum hat noch keine Landanbindung. Letztendlich geht es ihm um die Restitution der früheren Sowjetunion und des früheren Warschauer Pakts. Er träumt von einem großrussischen Reich. Das kann weder in unserem Interesse sein, noch ist es im Interesse der betroffenen Staaten, die sich bewusst entschieden haben, eben nicht wie früher unter der Knute der Kremelherrscher leben zu wollen.
Präsident Selensky hat schon eine Basis für Gespräche angeboten. Dabei ging es quasi um den Zustand vor Beginn des Krieges, also die Abtretung oder Autonomie der Krim sowie der Gebiete Donbass und Luhansk in den Dimensionen, wie sie vor dem jetzigen Krieg vorlagen. Das hat Putin aber nie aufgegriffen, weil er die Ukraine zerschlagen will. Das Restgebilde, das dann wirtschaftlich nur schwer überleben können wird, muss dann ein neuer Staat werden, der eben nicht Ukraine heißt, weil die ukrainische Bevölkerung die „Nazi-Regierung“ und die „Nazi-Armee“ der Ukraine unterstützt. Die Ukraine würde dann von der Landkarte verschwinden.
Ich bin nicht der Ansicht, dass wenn wir schwere Waffen liefern oder wenigstens der Lieferung durch die deutsche Wehrindustrie zulassen, das zu einem Krieg führt. Dieser Krieg zeigt doch eines ganz klar, nämlich dass Putin so argumentiert, wie es ihm beliebt. Er alleine entscheidet, ob irgendetwas für ihn ein Grund ist, etwas zu tun. Und wenn er der Meinung ist, dass die Helmlieferung ein Grund ist, dann ist es dies; wenn er meint, dass Munitionslieferung der Grund ist, dann ist es dies; oder wenn er meint, dass aus Deutschland/Europa zurückgekehrte Ukrainer, die nun gegen ihn kämpfen ein Grund sind, dann wird er das heranziehen. Diese Denke haben wir doch schon bei seiner Begründung für seine "Polizeiaktion" gesehen. Er sagte, er wolle die Nazis in Kiew absetzen. Nazis? Bei einem jüdischstämmigen Präsidenten, dessen Vorfahren von den Nazis verfolgt waren? Oder die Verfolgung der russischstämmigen Bevölkerung in der Ukraine, die er beenden will. An den Haaren herbeigezogen! Ich weiß, dass viele das Argument, das durchaus auch von gewissen Kreisen gestreut wurde und das sicher auch in früheren Jahren gegolten hätte, "Wir dürfen Putin / Russland nicht provozieren" für stichhaltig halten. Das greift aber nach meinem Dafürhalten nicht mehr. Putin agiert nicht rational nach unseren üblichen Bewertungskriterien, sondern irrational und unberechenbar. Das macht es ja leider so schwierig.
Die Ampel bietet ein disparates Bild in Sachen Ukraine. Die Bundesregierung verfolgt weiterhin eine Salami-Taktik bei den Informationen über ihr Vorgehen, sowohl gegenüber dem Bundestag, als auch der deutschen Öffentlichkeit. Bei unseren Verbündeten steigt die Verwunderung über das deutsche Verhalten. Kurz: Die Bundesregierung liefert nicht. Das führt dazu, dass der Deutsche Bundestag gefragt ist. Das Parlament muss seine Haltung in dieser entscheidenden politischen Frage klarmachen, auch als Symbol gegenüber der Ukraine und unseren Verbündeten gerade in Mittel- und Osteuropa.
Denn Ringtausch, Finanzhilfe und erste Ausbildungen ukrainischer Kräfte durch die Bundeswehr sind gute Ansätze, aber längst nicht genug angesichts der Herausforderungen für die Ukraine. Insbesondere ist unklar, warum die Bundesregierung immer noch keine koordinierende Stelle eingerichtet hat, um die Kommunikation zwischen der Ukraine und der deutschen Rüstungsindustrie zu vereinfachen.
Deshalb haben wir Druck aufgebaut, indem wir einen eigenen Auftrag erarbeitet haben, mit dem der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert hätte, die Waffenlieferung an die Ukraine zu ermöglichen. Das hat dazu geführt, dass sich die Ampel bewegt hat und einen eigenen Auftrag, quasi als Gegenvorschlag, vorgelegt hat. In gemeinsamen Gesprächen mit uns, ist dann ein gemeinsamer Auftrag entstanden und hat im Bundestag eine breite Mehrheit gefunden.
Den Beschlusstext finden Sie hier: https://dserver.bundestag.de/btd/20/015/2001550.pdf
Ihr
Michael Donth MdB