Liebe Leserinnen und Leser,
seit Donnerstagmorgen herrscht Krieg in Europa. Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 wird das erste Mal seit über 80 Jahren auf dem europäischen Kontinent wieder ein Angriffskrieg geführt. Der allein Verantwortliche für diesen Krieg heißt Wladimir Putin.
Dem Angriff auf die Ukraine vorangegangen war die Besetzung eines Teils der Ostukraine bereits vor acht Jahren, es folgte eine jahrelange Propagandaschlacht und eine ununterbrochene Täuschung der Öffentlichkeit inklusive aller Gesprächspartner, bis hin zu Abkommen und Waffenstillstandsvereinbarungen, die nie eingehalten wurden. Putin war und ist bis heute ein Mann der Nachrichtendienste. Er weiß, wie so etwas geht: Täuschen, Schmeicheln, in die Irre führen, Propaganda verbreiten. Die richtigen Netzwerke aufbauen, auch und gerade in Deutschland.
Aus der Geschichte wissen wir, welches Schicksal alle vergleichbaren Despoten dieser Welt am Ende ereilt: sie fallen ihrem eigenen Größenwahn zum Opfer. Früher oder später wird auch Putin dieses Schicksal teilen. Er wird die Ukraine, nach Russland immerhin das territorial größte Land Europas mit 40 Millionen Einwohnern, nicht dauerhaft besetzen und vollständig unterwerfen können. Und wahrscheinlich täuscht er sich in diesen Tagen, was die Entschlossenheit des Westens und die Kraft der Freiheit betrifft. Ja, die Europäer habe um ihre Reaktion und um ihre Geschlossenheit gerungen. Aber sie antworten mittlerweile vereint. Viele Sanktionen werden in Abstimmung mit der amerikanischen Regierung umgesetzt. Die Sanktionen werden sowohl die russische Wirtschaft, als auch – mindestens ebenso wichtig – das System Putin und sein Umfeld hart treffen. Es kann sein, dass weitere Entscheidungen folgen müssen. Und auch unsere Wirtschaft wird dies belasten. Aber Freiheit und Frieden sind wichtiger als Euro und Dollar. Und unterschätzen wir nicht den Freiheitswillen der Menschen in der Ukraine wie auch in Russland selbst. Putin kann sie nicht alle einsperren.
Ein solcher Akt der Gewalt darf nicht unbeantwortet bleiben. Daher ist es richtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser historischen Stunde am vergangenen Sonntag ein klares Signal zur Stärkung unserer Bundeswehr, weitere harte Sanktionen gegen Wladimir Putins Regime und die Lieferung von Verteidigungswaffen an die Ukraine, beschlossen hat. Wir müssen bereit sein, einen Preis zu zahlen, um die Friedensordnung Europas zu verteidigen. Als Unionsfraktion im Deutschen Bundestag unterstützen wir daher die Bundesregierung auf diesem Kurs.
Die Solidarität in unserer Gesellschaft mit den Menschen in der Ukraine bewegt mich zutiefst. Weit über 100.000 Bürgerinnen und Bürger gingen am Wochenende allein in Berlin auf die Straßen - und viele mehr in ganz Deutschland und auch bei uns im Landkreis Reutlingen.
Am Samstagabend haben wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion gemeinsam mit Vertretern der ukrainischen Gemeinde vor der Russischen Botschaft in Berlin eine Mahnwache für Frieden und ein Ende des Konflikts abgehalten.
Nicht oft habe ich mich so sprachlos gefühlt, wie in den letzten Tagen. Das Leid und die Trauer der Menschen in der Ukraine und die Sorgen, um einen weiter eskalierenden Konflikt nur wenige Flugstunden von uns entfernt, sind bedrückend.
Die wichtigste und sehr ernüchternde Einsicht dieser Tage muss sein: Wir werden wieder mehr für die Sicherung des Friedens und unserer Freiheit leisten müssen, innerhalb der Staatengemeinschaft der EU und innerhalb der NATO, aber auch für diejenigen, die keinem dieser Bündnisse angehören. Wir dürfen es nie wieder zulassen, dass ein Land wie die Ukraine einem Angriffskrieg mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert ist. China etwa wird sich sehr genau anschauen, wie dieser Krieg ausgeht und welche Folgen er für Russland hat. Wenn der Preis zu hoch erscheint, werden sie es sich gut überlegen, Taiwan anzugreifen. 1990 war nicht das Ende der Geschichte. Wir schreiben seit dieser Woche ein ganz neues Kapitel.
Lassen Sie uns trotz des schlimmen Krieges optimistisch in die Zukunft schauen!
Ihr
Michael Donth MdB